Zehn Jahre nach Lehman

Marktkommentar, September 2018

Zehn Jahre nach Lehman

Zehn Jahre nach dem Lehman-Kollaps sind die USA weltweit so führend wie seit Präsident Reagan nicht mehr. Auch wenn Trump wahrlich nicht Reagan ist, bisher hat er den US-Märkten und der US-Wirtschaft geholfen – allerdings nicht den übrigen Regionen. Die überraschende Ankündigung der Verfünffachung des China angedrohten Strafzollvolumens durch Trump hat Schwellenländer- und Europa-Aktien belastet, jedoch US-Aktien unterstützt, die wir seit längerem übergewichten. Fundamental hat sich die US-Wirtschaft seit dem September 2008 massiv verbessert. Die Arbeitslosigkeit  in den USA ist auf dem tiefsten Stand seit 50 Jahren, während die Arbeitslosigkeit in Europa, zum Beispiel Italien, auch jetzt noch höher ist als sie damals in den USA war.

Im Spätsommer 2008 war ich geschäftlich in New York und war überrascht wie normal die Stimmung war – niemand schien sich Sorgen um die Wirtschaft der USA zu machen, obwohl sich doch seit Monaten ein Sturm zusammenbraute – und nicht wegen der Hurricane-Saison. Neun Monate zuvor war ich in meiner Funktion als CIO von der damaligen Bank gebeten worden mein Szenario für 2008 zu schildern. Statt einer wie üblich rund 6-10 seitigen Studie schrieb ich eine einzige Seite, allerdings alles in Grossbuchstaben. Ich machte es kurz und klar: Ich wäre nicht überrascht, wenn die Aktienmärkte rund 40 % korrigierten und die Bankaktien rund 80 %, wegen der völlig fehlenden Transparenz betreffend ihrer Engagements im US-Immobilienmarkt über komplexe Derivate. Drei Dinge waren mir nämlich seit Monaten aufgefallen. Erstens, dass die US-Häuserpreise seit dem 3. Quartal 2007 im Vergleich zum Vorjahr fielen, was es in den Rezessionen von 1980/82, 1990 oder 2001/02 nie gegeben hatte. Zweitens, dass über 70 % aller US-Neuhypotheken nicht mehr über die traditionellen US-Kreditgeber Fannie Mae und Freddie Mac herausgegeben wurden, sondern über komplexe anleihenähnliche Verbriefungen, die mit minderwertigen («subprime» genannten) Hypothekarforderungen zusammengemischt wurden. Dann kam drittens ein innert kurzer Zeit sich massiv erhöhender Kreditrisikoaufschlag dazu, also ein vom Markt enorm hoch geforderter Zinsaufschlag für Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen, was für die Wirtschaft logischerweise eine massive Verteuerung der Finanzierungskosten bedeutete. Der Rest ist Geschichte, wie man sagt. Die Aktienmärkte fielen noch etwas mehr als prognostiziert, um 50 %, die Bankaktien um über 80 %. Die Welt erlebte eine seit den 30-er Jahren nicht mehr gesehene Rezession und die Finanzwelt ist nicht mehr dieselbe.

Was wurde seither verbessert? Die USA zeigten ein mutiges und rasches Krisenmanagement, angeführt von Fed- Präsident Ben Bernanke. Die Regierung der USA zwang im Herbst 2008 die (zu) vielen Banken zu fusionieren oder vom Staat Eigenkapital anzunehmen (auch diejenigen, die es nicht nötig hatten). Dadurch wurden aber die Interessen des amerikanischen Staates und der grossen Banken auf eine Linie gebracht, denn die USA waren nun selbst mit Eigenkapital beteiligt, was der US-Kongress nur widerwillig, erst in zweiter Abstimmung, absegnete.

«Fundamental hat sich die US-Wirtschaft seit dem September 2008 massiv verbessert»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Europa bzw. die Eurozone aber sah nie eine solche Angleichung der Interessen zwischen den nach wie vor zu vielen Grossbanken und der Regierung über eine Staatshilfe mit Eigenkapitalbeteiligung. Hier liegt eben schon ein Problem: Es gibt in der Eurozone nicht eine Regierung. Zu viele Regierungen? Vielleicht nicht, aber sicher zu viele Banken, die heute im Investment Banking und zunehmend auch im Asset Management kaum mehr mit den längst wieder erstarkten Amerikanern mithalten können – ausser sie spezialisieren sich oder schliessen sich zusammen. Die Profitabilität der US-Banken hat sich, gemessen an der Eigenkapitalrendite, seit der Finanzkrise wieder auf rund 9 % erhöht während jene der europäischen Banken (die weiterhin viele notleidende Kredite halten) nur die etwa die Hälfte davon erreicht.

«Zehn Jahre nach Lehman» bedeutet also auch, dass wir daher nicht überrascht sein sollten, wenn Aktien der Eurozone, wo der Finanzsektor mit über 20 % nach wie vor das grösste Sektorgewicht hat, gegenüber US-Aktien schlechter laufen. Wir sollten auch nicht überrascht sein, wenn es hin und wieder zu Eurozone-Krisensituationen kommt, wie 2011/12 wegen Griechenland oder anderen südeuropäischen Ländern, weil eben der Finanzsektor noch nicht wirklich restrukturiert wurde wie in den USA. Die Verschuldung ist in der Eurozone, vor allem in Italien, der drittwichtigsten Euro-Wirtschaft, weiter zu hoch. Dies belastet auch immer wieder den Euro. Ein Staat wie Italien mit über 130 % Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandproduktes kann nur mit 3 % oder mehr Anleihenzinsen, also Finanzierungskosten leben, wenn auch die Wirtschaft mindestens so viel Wachstum zeigt, worauf die Vorlaufindikatoren aber nicht deuten.

Sechs Monate nach dem Kollaps von Lehman (die USRegierung beschloss damals die global viel wichtigere AIG zu retten anstatt Lehman) begann am 9. März 2009 eine US-Aktien-Rally, die inzwischen die längste der USFinanzgeschichte geworden ist, während europäische Aktien, gemessen z. B. am Eurostoxx 50, weiter rund 25 % unter dem Vorkrisenstand von 2007 bleiben.

Fundamental ist dies nicht unbegründet. Nicht nur haben die USA mit ihren Technologie-Titanen einen massiven Motor für das Gewinnwachstum ihrer Privatwirtschaft und ihres Aktienmarktes entwickelt: dieser fehlt Europa. Auch die gesamte US-Wirtschaft zeigt grosse Erfolge. Seit der Rezession 2008/09 ist sie um +22 % gewachsen. In der Rezession vor 10 Jahren wurden 8,7 Mio. Jobs gestrichen – aber seither 16,6 Mio. Jobs neu geschaffen! Die Arbeitslosigkeit ist auf den tiefsten Stand der letzten 50 Jahre gefallen. In Italien zum Beispiel ist die Arbeitslosigkeit mit 11 % höher immer noch als in den USA in der Rezession vor zehn Jahren.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 11. September 2018

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