Ähnlich, aber anders – 2020 verglichen mit 2008

Marktkommentar, Mai 2020

Ähnlich, aber anders – 2020 verglichen mit 2008

Die Corona-Krise mag geringer erscheinen, doch vorüber ist sie nicht. Eine Erholungsphase könnte wegen längerfristigen Folgen weniger stark bzw. lang als bei früheren Krisen ausfallen. Denn die Ursache ist ja auch eine ganz andere als bei anderen Krisen wie zum Beispiel 2008. Das macht auch die Krisenbekämpfung viel schwieriger als früher, solange kein verlässlicher Impfstoff in ausreichenden Mengen vorhanden ist. Die defensive Diversifikation bleibt wichtig, weil Obligationen und Gold von den längerfristigen Folgen dieser besonderen Krise profitieren dürften.

Wenn man die Corona-Krise betrachtet, scheint sie einem ähnlichen Muster zu folgen, wie wir es auch 2008 gesehen haben, nur diesmal viel schneller. Das Muster läuft etwa wie folgt ab: Die wirtschaftlichen Risiken werden zuerst nur langsam, dann rascher sichtbar. Namhafte Organisationen wie die OECD oder der IWF sowie die Banken reduzieren darauf ihre Konjunkturprognosen. Die Anlageklassen, die konjunkturabhängig sind, wie z. B. zyklische Rohstoffe oder Aktienmärkte, korrigieren zuerst kaum, dann aber massiv. Diesmal haben die inzwischen weit mehr als 2008 eingesetzten algorithmischen Handelsprogramme der Hedge Fonds die Marktbewegungen beschleunigt – wie wir gesehen haben in beide Richtungen: gegen unten und gegen oben. 

Durch die enormen Bewegungen geschahen in diesem Jahr ‒ anders als 2008 ‒ zwei Dinge. 1. Die heute weit mehr verbreiteten ETF hatten enorm Mühe, mit der Flut der Börsenaufträge fertig zu werden, da die unterliegenden Wertschriften oft weniger liquid sind und weil die Banken nicht mehr wie früher Eigenhandel betreiben können. Dadurch kam es zu Liquiditätsengpässen und Zwangsverkäufen. Die Behörden schätzten die Rezessionsgefahr anfänglich als gering ein, doch die Liquiditätsengpässe der Finanzmärkte zwangen die Behörden schlussendlich zu massivem Handeln. 2. Die Zentralbanken müssen daher die freien Märkte für lange Zeit sozusagen ausser Gefecht setzen, um nicht einen Kollaps der Marktsysteme zu riskieren. Die Märkte überschätzen in der Folge eventuell die Konjunkturbeeinflussungsmöglichkeit der Zentralbanken und benötigen letztlich mehrere Phasen mit in beide Richtungen übertreibenden Emotionen von Angst und Hoffnung, bis die fundamentalen Fakten der Wirtschaftsdaten wirkliche Klarheit schaffen. Dies, weil der Haupttreiber der heutigen Weltwirtschaft, der Konsum, noch mehr abhängig von der Stimmung ist als die Ursache früherer Krisen - die Produktionsseite der Wirtschaft und der Finanzsektor. 

«Die Krise ist noch nicht vorüber - die defensive Diversifikation mithilfe von Obligationen und Gold bleibt wichtig.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Die Ursache dieser Krise ist völlig anders als die von 2008 oder anderer Krisen, die jeweils als Hauptgrund grosse finanzielle Ungleichgewichte hatten. Beispiele: ungenügende Kapitalpuffer von Banken oder lokal begrenzte Probleme von nur wenigen Ländern oder Sektoren. Diesmal spielen Ungleichgewichte wie historisch hohe Bewertungen oder hohe Verschuldung zwar auch eine Rolle, doch diesmal sind alle Länder und alle Sektoren betroffen. Zudem liegt die Krisenursache nicht im Finanzsystem. Da das Virus als Ursache dieser nun globalen Krise noch zu wenig erforscht ist, gibt es viele unterschiedliche Meinungen und in jedem Land andere Massnahmen. Das bedeutet aber, dass es im Gegensatz zu 2008 klar an Koordination mangelt sowohl innerhalb der G20-Länder wie innerhalb der Europäischen Union (EU). Das wiederum führt dazu, dass die Corona-Krise eine zusätzliche, nicht ungefährliche, Komponente hat. Sie verstärkt politische Probleme, die sich schon vorher angebahnt haben. 

Ein wichtiges Beispiel sind die politischen Spannungen innerhalb der EU zwischen den auf Hilfe angewiesenen südlichen Ländern und den reicheren nördlichen Nachbarn. Ein anderes Beispiel der politischen Probleme ist der Konflikt um Marktanteile bei der Ölproduktion zwischen Saudi-Arabien, Russland und den USA, welcher klar das Potenzial hat, die diesjährige Wirtschaftskrise zu verlängern und zu verschärfen. Ganz zu schweigen von den politischen Problemen zwischen China und den USA, die wieder aufflammen. Das bedeutet, dass der Nationalismus weiter zunimmt, was den Welthandel und die Profitabilität der globalen Unternehmen belastet. Die Behörden der verschiedenen Nationen versuchen durch Geldspritzen und günstige Kredite, den Einnahmenausfall zu überbrücken, um nicht aus der Liquiditäts-  eine Solvenzkrise werden zu lassen. Diese Liquidität hilft temporär, doch sie schafft noch mehr Verschuldung, sowohl der Staaten wie des Privatsektors.

Die Folge ist, dass viel elektronisches Gelddrucken durch Kaufprogramme von Obligationen nötig ist, um die Finanzierungskosten der Staaten und Privaten tief zu halten. Durch das für die Kredittilgung notwendige Geld fehlen dann die Mittel für die für künftiges Wachstum erforderlichen Investitionen. Somit wird das Wirtschaftswachstum in der Erholungsphase niedriger als sonst üblich ausfallen – was für Obligationen ein Vorteil gegenüber Aktien werden dürfte. 

Der andere Profiteur der Interventionspolitik der Zentralbanken könnte Gold werden. Denn durch das elektronische Gelddrucken werden alle Währungen mit Ausnahme des Schweizer Frankens tendenziell weniger wert. Die ultimative oder alternative Währung Gold profitiert von dieser nun verstärkten langfristigen Tendenz, elektronisch Geld zu drucken - vielleicht sogar mehr als andere Realwerte, da diese von der wohl länger unterdurchschnittlichen Nachfrage belastet werden können. Die Corona-Krise wird unzählige Folgen haben. Vieles wird nicht mehr wie vor der Krise sein, besonders unser Konsumverhalten. Die Konjunkturerholung dürfte daher von stärkerer Unsicherheit geprägt sein als bei früheren Krisen. Profitieren können neben Gold auch Obligationen, da die Zentralbanken noch nie so stark als Anleihenkäufer aufgetreten sind wie jetzt. Somit bleibt eine defensive Diversifikation über alle Anlageklassen hinweg angezeigt. Bei Aktien favorisieren wir zurzeit amerikanische und schweizerische Aktien gegenüber den Aktien der Eurozone und der Schwellenländer. Die beiden letzteren Regionen sind konjunktursensitiver, also weniger defensiv, weisen ein höheres Beta bzw. höhere Volatilität auf und sind zudem mehr abhängig vom Welthandel, der durch einen wieder zunehmenden Handelskonflikt USA-China leiden könnte.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 18. Mai 2020

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